Eine forensische Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung von Tat und Täter ergibt, dass von ihm aufgrund seines psychischen Defektes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Hierbei sind die Krankheits- und persönlichkeitsbedingte Wahrscheinlichkeit erheblicher künftiger rechtswidriger Taten in Abhängigkeit von den Lebensumständen, vor allem auch hinsichtlich der Möglichkeit, ob auch andere Maßnahmen als eine Unterbringung gem. § 63 geeignet sein könnten, die Gefährdung auszuschalten zu berücksichtigen.
Weiter die Art und Gewicht der etwa zu befürchtenden rechtswidrigen Taten, der Gefährlichkeitsgrad dessen, was bei Eintreten des Risikofalles zu erwarten wäre. Die Erheblichkeit der möglichen Tat ist mit der Wahrscheinlichkeit in beziehung gesetzt werden.
Dabei muß gerade bei Jugendlichen sehr verantwortungsvoll auch bedacht werden, dass eine Unterbringung nach § 63 StGB insbesondere für Jugendliche, die sich noch in ihrer Entwicklung befinden, einen massiven Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte bedeutet. Die - unbefristete - Unterbringung nach § 63 StGB führt in der Regel zu einer faktischen Beweislastumkehr: Der untergebrachte Jugendliche muss, um die Forensik wieder verlassen zu können, beweisen, dass er nicht mehr gefährlich ist. Die Verweildauern liegen auch im jugendforensischen Bereich im Bereich mehrerer Jahre.
In der Jugendforensik haben wir es in der Regel mit Jugendlichen zu tun, die massive strukturelle Persönlichkeitsdefizite aufweisen und deshalb langfristige Programme der Behandlung, Therapie und Pädagogik benötigen. Daher kann Forensik für Jugendliche auf der anderen Seite in Fällen schwerster Fehlentwicklung und erheblich krankheitswertiger Zustände vielleicht die einzige Chance für eine korrigierende Behandlung, Therapie und Entwicklungsförderungbieten, die in der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht angeboten wird.
Wo die Erwachsenenpsychiatrie Persönlichkeitsstörung sagt, und diese bis vor einiger Zeit für praktisch untherapierbar hielt, benutzt die Kinder- und Jugendpsychiatrie den Begriff der Persönlichkeitsentwicklungsstörung und betont damit den Aspekt der Entwicklung, womit die Möglichkeit offen gehalten wird, dass auch strukturelle Änderungen vielleicht noch möglich sind.
Behandlung meint dabei eine gezielte therapeutische Beeinflussung diagnosespezifischer Störungen, eher medizinischer, psychopharmakologischer, verhaltenstherapeutischer, vielleicht auch gezielt soziotherapeutischer Aspekte, Therapie umschreibt den verstehenden psychotherapeutischen Ansatz, die Erarbeitung eines Gesamt-Verständnismodells der bisherigen Persönlichkeitsentwicklung, in das tatspezifische Verständnismodelle eingepasst werden können. Nicht zu vernachlässigen sind die traumaspezifischen Aspekte der inkriminierten Straftaten für die Jugendlichen selbst. - Die meisten dieser Jugendlichen sind zu Beginn einer Behandlung nur wenig therapiemotiviert.
Neben den krankhaften, fehlentwickelten Aspekten der Persönlichkeit, die letztlich meist zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 21 oder gar 20 StGB geführt haben, bestehen bei praktisch allen jugendforensischen Patienten auch erhebliche Entwicklungsdefizite. Deshalb trifft Jugendforensik bei den jungen Individuen auf Änderungs- und Entwicklungspotentiale, die es aufzugreifen und zu entwickeln gilt. Dabei ist die Entwicklung wichtiger psychosozialer Kompetenzbereiche im Sinne psychosozialer Entwicklungsförderung besonders wichtig.
Hier finden Sie Vorträge und Veröffentlichungen zum Thema Jugendforensik:
Forensische Unterbringung Jugendlicher - Vortrag von Dr. Falk Burchard zum Deutschen Jugendgerichtstag 2013 (4,39 MB, PDF)
Jugendforensik im Kontext einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie (aus Forensische Psychiatrie und Psychotherapie 19/2012 (520 KB, PDF)