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Jugendforensik

Jugendforensik

Angeschlossen an die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marsberg ist der Maßregelvollzug für überwiegend männliche Jugendliche und junge Heranwachsende.

Aufgenommen werden psychisch kranke, jugendliche Straftäter. Wir bieten eine intensivpädagogische Maßnahme und Therapie auf einer gesicherten Station. Auf weiteren Stationen können therapiemotivierte und absprachefähige Patienten weiter behandelt werden.

Allgemeine Zugangsvoraussetzungen für Patienten

Für die Unterbringung in der Jugendforensik haben verschiedene Paragraphen Bedeutung:

§ 20 StGB – Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen:

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat

  • wegen einer krankhaften seelischen Störung
  • einer tief greifenden Bewusstseinsstörung
  • wegen Schwachsinn oder
  • einer schweren anderen seelischen Abartigkeit

unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

So der fachliche Terminus, dies entspricht den folgenden Störungsbildern/Erkrankungen: Psychose, auch Adoleszentenkrise mit psychotischen Symptomen oder ADHS und psychosoziale Retardierung; ausgeprägte altersbezogene Reifungsdefizite, kognitiv verminderte Einsichtsfähigkeit mit konsekutiv verminderter Steuerungsfähigkeit; Persönlichkeitsentwicklungsstörung, Bindungsstörung, Traumatisierung, sowie Sexualstörungen bei häufig selbst missbrauchten Kindern

 

§ 21 StGB – Verminderte Schuldfähigkeit:

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.

Damit die Schuldfähigkeit nach § 20 oder § 21 StGB ausgeschlossen oder vermindert werden kann muss die Straftat ursächlich auf eine psychiatrische Störung zurück zu führen sein.

 

Greifen § 20 oder §21 StGB so hat das Gericht die Möglichkeit die Unterbringung nach § 63 StGB – Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Steht eine Tat in direktem Zusammenhang mit einem Hang zu Betäubungsmittelkonsum so ermöglicht dies eine Unterbringung nach § 64 StGB – Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sofern die Gefahr besteht, dass der Täter infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Dies bedeutet für die Unterbringung im Maßregelvollzug muss zum einen die Strafreife gegeben sein und eine schwere Straftat begangen worden sein. Diese Straftat muss im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit begangen worden sein und/ oder infolge eines Hanges zu Betäubungsmitteln oder Alkohol. Weiter muss eine Wiederholungsgefahr mit Gefahr für die Allgemeinheit wahrscheinlich sein und es darf keine geringere Alternative zur Abwendung der Gefahr möglich sein.

Bei einer Unterbringung nach §63 StGB, §64 StGB wird die Notwendigkeit dieser Unterbringung regelmäßig überprüft.

Weiter ist die Unterbringung im Maßregelvollzug nach §126a StPO – Einstweilige Unterbringung möglich, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen wurde und entsprechend eine Unterbringung nach §63 oder §64 StGB angeordnete werden wird und die öffentliche Sicherheit es erfordert.

Ebenfalls ist die Unterbringung nach §81 StPO – Unterbringung des Beschuldigten zur Vorbereitung auf ein Gutachten, sofern die Verhältnismäßigkeit gegeben ist oder nach §73 JGG – Unterbringung zur Beobachtung möglich. In beiden Fällen darf eine Unterbringungsdauer von insgesamt sechs Wochen nicht überschritten werden.

Beschreibung des Patientenklientel

Die meisten in der Jugendforensik betreuten Jugendlichen waren in ihrer Kindheit Risikofaktoren ausgesetzt die zu problematischen Persönlichkeitsentwicklungen geführt haben. Diese Risikofaktoren können einschlägige Erfahrungen durch beispielsweise Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und im allgemeinen zerrissene Biografien sein. Auch kann ein Konsum gewaltlastiger Medien durch die Orientierung an ungünstigen Vorbildern ein Risikofaktor sein. Oftmals wiesen die Patienten bereits in ihrer Kindheit physiologische kindliche Expansivität und Aggressivität auf, welche bis ins Jugendalter nicht „gezähmt“ werden konnte. Eine Verhaltensstörung in verschiedenen Bereichen wie Gewalt, Sexualität, Brand, Diebstahl und Mobbing und in verschiedenen Ausprägungsgraden kann häufig das Resultat dieser kindlichen Entwicklung sein. So haben die meisten Jugendlichen in der Jugendforensik schwere strukturelle Persönlichkeitsentwicklungsdefizite, -retardierungen oder –störungen sowie ausgeprägte Bindungsdefizite/–störungen oder Traumafolgestörungen.

Allgemeines Forensikkonzept

Für die Behandlung der männlichen Jugendlichen wird ein Konzept verfolgt, welches auf einer speziellen Grundhaltung im Umgang basiert. Ein erster Schritt ist somit oftmals das Nachholen der Frühsozialisation, welche häufig mit ähnlichen Prozessen des Kleinkindalters verknüpft ist. Konkret bedeutet sie in den meisten Fällen die Eingrenzung und Modulation aggressiver Impulse mit einer anschließenden langsamen Übergabe in die Selbststeuerung des Jugendlichen. Die Umsetzung dieses Ansatzes erfolgt durch ein mehrstufiges Programm, welches auf einer Grundhaltung basiert die Bindungsentwicklung, Vertrauen, Sicherheit und Fehlertoleranz als zentrale Säulen beinhaltet.

Der Zeitraum, der für eine nachhaltige Nachreifung des Jugendlichen erforderlich ist, beträgt momentan erfahrungsgemäß drei bis fünf Jahre. Während dieser Zeit orientiert sich die Behandlung an vier therapeutischen Säulen.

Die erste Säule ist dabei die Förderung der Entwicklung, bei der individuelle Entwicklungsdefizite des Patienten in allen Lebensbereichen spezifisch gefördert werden sollen. Auch die Entwicklungsförderung wichtiger psychosozialer Kompetenzbereiche findet in dieser Phase Platz. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein Lebensumfeld, das Nachreifung der Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht und eine altersgerechte Lebensgestaltung und Angebote beinhaltet. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Phase ist die Resozialisierung.

Die zweite Säule trägt die störungsspezifische Behandlung im Fokus. Dabei wird eine gezielte therapeutische Beeinflussung diagnosespezifischer Störungen wie einer Psychose, ADHS, Borderline oder einer bipolaren Störung als Ziel verfolgt. In diesem Schritt bilden Psychoedukation, medizinische und psychopharmakologische Aspekte die Basis für verhaltenstherapeutische und störungsspezifische soziotherapeutische Aspekte als Behandlungsansätze.

Die dritte therapeutische Säule bildet die Therapie der Verstörung durch Psychotherapie unter Vorherrschen eines verstehenden Ansatzes. Gemeinsam mit dem Jugendlichen soll dabei ein Gesamt-Verständnismodell seiner Persönlichkeitsentwicklung erarbeitet werden, sodass der Patient dadurch Antwort auf die Frage „Wie bin ich dort hingekommen wo ich jetzt stehe?“ finden kann.

In der vierten therapeutischen Säule findet die Tatbearbeitung und das perspektivisch orientierte Risikomanagement statt. Der Patient soll mit Unterstützung des Therapeuten seine tatspezifische Lebensgeschichte rekonstruieren und seine Fehlentwicklung aufarbeiten. Dabei spielt das Bewusstwerden tatkonstituierender Faktoren in Zusammenhang mit der Klärung individueller Risikofaktoren eine Rolle. Der Patient soll darin unterstützt werden kognitive Verzerrungen zu erkennen und zu korrigieren und letztlich Opferempathie aufbauen sowie alternative Befriedigung zu suchen.  Die Rückfallprävention und Erarbeitung eines Krisenplans bilden den Abschluss des Prozesses.

Phasen der Behandlung

Die Phasen der Behandlung der Patienten in der Jugendforensik können grob in drei Stufen unterteilt werden. In der ersten Phase steht für den Jugendlichen das Ankommen im System und die Akzeptanz der Maßnahme im Mittelpunkt. So muss er sich an die Strukturen anpassen und Regelakzeptanz entwickeln, sodass an einer Verhaltensstabilisierung gearbeitet werden kann. Ein häufiger Beginn dieses Schritts ist eine Schockphase des Patienten in Bezug auf die langfristige Unterbringung, welche oftmals von einer Phase der Überanpassung, des Pseudo-Kontaktes, aber auch der Impulsdurchbrüche gefolgt wird. Erst nach diesen Gefühlen und Gedanken kommt häufig das eigentliche Ankommen und die Bewusstwerdung in Verbindung mit einer beginnenden Vertrauensbildung zu einzelnen Personen, welche in eine beginnende Akzeptanz der Unterbringung mündet.

In der zweiten Phase steht die Therapie im Mittelpunkt. Der Patient soll gemeinsam mit seinem Therapeuten intensiv seinen Lebenslauf und seine Tat bearbeiten. Die Übernahme von sozialer Verantwortung steht in dieser Phase ebenfalls im Fokus. Für den Patienten heißt dies, dass er sich erstmals konstruktiv und realistisch zielorientiert zeigt und sich für eine zentrale Therapiephase öffnet.

In der dritten Phase wird auf eine Verselbstständigung des Patienten hingearbeitet. Konkret wird darauf abgezielt, ihn auf das Leben außerhalb des Maßregelvollzugs vorzubereiten. Der Patient entwickelt in dieser Phase eine beginnende realistische Außenorientierung bis er schließlich zu einer Umsetzungsphase realistischer Ziele und Planungen gelangt.

Dieser Phase schließt sich die Nachsorge an, in der abgesichert werden soll, wer dem Patienten soziale Empfangsräume zur Verfügung stellt.

Station 07/1

In der Station 07 I werden jugendliche Menschen behandelt, die nach § 63 StGB untergebracht werden müssen. Des weiteren ist die Unterbringung zur Begutachtung nach § 126 a StPO bzw. § 81 StPO möglich.

Unser Team

Das multiprofessionelle Stationsteam setzt sich zusammen aus den MitarbeiterInnen des Pflege- und Erziehungsdienstes z. T. mit fachspezifischen Weiterbildungen, einem Psychologen, einer Stationsärztin, einem Oberarzt, einem Ergotherapeuten, einer Musiktherapeutin, einer Sozialpädagogin, einem Mototherapeuten sowie den Lehrern der der Klinik angeschlossenen Schule.

Das therapeutische Angebot der Station 07 I

  • Psychotherapie
  • Pflegetherapie:
    • Professionelle Beziehungen im Bezugspflegesystem
    • Geplante, individuelle Pflege nach dem ganzheitlichen Prinzip
  • Gruppenangebote:
    • Training Sozialer Kompetenzen
    • Kunst- und Malgruppe
    • Waldgruppe
    • Entspannungsgruppen
    • Thai Bo / Thai Chi
    • Kreativgruppe
    • Elektrogruppe
    • Genussgruppen
    • Mediengruppe
    • Tagesreflektion
    • Organisationsgruppe
  • Fachtherapien:
    •  Musiktherapie
    • Ergotherapie
    • Mototherapie
    • Reittherapie

Außerdem finden in größeren Abständen zeitlich begrenzte Projekte mit unseren Patienten statt wie z.B.:

  • Theaterprojekt
  • Maskenbauprojekt
  • Kunstprojekte
  • Gartenprojekte

Für weitere Informationen erreichen Sie uns unter folgenden Telefonnummern:

  • Pflegerische Stationsleitung: 02992 601-3310
  • Stationspsychologe: 02992 601-3125

Bei Fragen zur Aufnahme auf die Station wenden Sie sich bitte an den Leiter des Massregelvollzuges, Herr Dr. med. Burchard. Sie erreichen sein Sekretariat unter der Telefonnummer: 02992 601-3101

Station 07/2

In der Station 07 II werden jugendliche Menschen behandelt, die nach § 63 StGB untergebracht werden müssen. Des Weiteren ist die Unterbringung zur Begutachtung nach § 126 a StPO bzw. § 81 StPO möglich.

Das Stationsteam

Das multiprofessionelle Stationsteam setzt sich zusammen aus den MitarbeiterInnen des Pflege- und Erziehungsdienstes z. T. mit fachspezifischen Weiterbildungen, einem Psychologen, einer Stationsärztin, einem Oberarzt, einem Ergotherapeuten, einer Musiktherapeutin, einer Sozialpädagogin, einem Mototherapeuten sowie den Lehrern der der Klinik angeschlossenen Schule.

 

Das therapeutische Angebot der Station 07 II

  • Psychotherapie
  • Pflegetherapie
  • Fachttherapien, wie z.B. Musiktherapie, Ergotherapie
  • Gruppenangebote

 

Für weitere Informationen erreichen Sie uns unter folgenden Telefonnummern:

  • Pflegerische Stationsleitung: 02992 601-3390
  • Stationspsychologe: 02992 601-3396

Bei Fragen zur Aufnahme auf die Station wenden Sie sich bitte an den Leiter des Massregelvollzuges, Herr Dr. med. Burchard. Sie erreichen sein Sekretariat unter der Telefonnummer: 02992 601-3101.

Station 07/3 & 4 - Ziele und Konzept

Auf den Stationen 07/3 und 07/4 geht es um die Verselbstständigung, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und damit auch um die Rückfallprophylaxe. Patienten, die ihre Behandlung und Baustellen auf der 07/2 erfolgreich in Angriff genommen haben, sich ihrer eigenen Identität bewusst sind, eine ausreichende Selbstkontrolle entwickelt haben, über soziale Kompetenzen verfügen, die intrinsische Motivation entwickelt haben nicht wieder straffällig werden zu wollen und individuelle Präventivstrategien erarbeitet haben können den letzten Schritt im allgemeinen Behandlungskonzepts des Haus 07 gehen.

Die Station 07/3 ist ein im Haus gelegenes Apartment mit zwei Plätzen. Die Patienten müssen sich selbst versorgen, was die Lockerung zum unbegleiteten Stadtausgang voraussetzt. Ebenso müssen sie täglich anfallende Aufgaben, so wie ihre individuellen Termine und Verpflichtungen eigenständig wahrnehmen und erledigen. Dabei werden sie von einem eigenen Team, welches auch für die 07/4 zuständig ist, unterstützt. Teilweise nehmen die Patienten auch noch an den Therapiegruppen der 07/2 teil.

Die Station 07/4 stellt ebenfalls ein Apartment mit zwei Plätzen dar, nur ist dies ca. 400m vom Klinikgelände entfernt. Die geringere räumliche Anbindung setzt eine weitere Festigung der erlernten Kompetenzen und Fähigkeiten voraus. Trotzdem werden die Patienten auch hier noch von einem Team betreut.

Für die Patienten dieser beiden Stationen ist es möglich, einer Ausbildung oder einer Anstellung im Außenfeld der Klinik nachzukommen, ebenfalls können die ortsnahen Schulen besucht werden. Neben der Hausarbeit müssen die Patienten auch ihre Freizeit selbstständig organisieren. Auch wenn die Ziele der Stationen 07/3 und 07/4 Individuation, Autonomie und die Vorbereitung einer Entlassung sind, werden die Patienten weiter durch Mitarbeiter betreut, therapeutisch begleitet und unterstützt.

Ärztlicher Leiter des MRV

Stefan Joost

Station 07/1

Stationen 07/2 - 4

Stefan Joost